You’ll never walk alone

Manchmal ist es leicht: Ein Spiel, ein Tor, noch ein Tor. Voller Freude singen die Fans: You’ll never walk alone. Liegen sich in den Armen. Besoffen vom Sieg. Singen es auch, wenn das Spiel schlecht läuft, die falschen Tore getroffen werden. Das Lied vom FC Li­verpool bleibt. You‘ll never walk alone. Dann mit Tränen der Enttäuschung in den Augen. Die Arme tröstend umeinander gelegt.

Ich interessiere mich nicht für Fußball. Gar nicht. Aber es treibt mir Tränen in die Au­gen. Diese Gemeinschaft. Erwachsene Men­schen halten sich in den Armen und singen. Es geht nicht darum, ob schön oder schief. Es geht um Gemeinschaft. Doch ich glaube, auch der Text ist nicht egal:

Du wirst nie alleine gehen.

Eine denkbar einfache Bildsprache. Von Hoffnung im Herzen wird gesungen, am En­ de des Sturms, ein goldener Himmel, der sü­ße Gesang einer Lerche. Der amerikanische Autor John Green nennt zwei Gründe, warum das Lied anrührt, nämlich, weil es zwei menschliche Grunderfahrungen an­ spricht:

  1. Wir müssen weitermachen.
  2. Niemand ist allein unterwegs.

Vielleicht fühlen wir uns alleine (irgendwann werden wir uns alleine fühlen, keine Frage), aber selbst wenn uns das Abgesondertsein gerade niederdrückt, sind wir nicht allein. Jene, die fern oder schon verstorben sind, sind immer noch bei uns und ermuntern uns, weiterzugehen.“
(aus: John Green: Wie hat Ihnen das Anthro­pozän bis jetzt gefallen? Notizen zum Leben auf der Erde)

Davon erzählen auch viele Geschichten der biblischen Tradition, davon erzählen auch viele Rituale, die wir seit hunderten Jahren wiederholen. Im Abendmahl verbunden zu sein, auch mit denen, die schon gestorben sind, Psalmen zu beten, die Menschen schon seit tausenden Jahren sprechen und so menschliche Grunderfahrungen zur Sprache bringen, gemeinsam etwas zu erleben, zu teilen.

Wir sind alle auf der Suche nach Gemein­schaft, weil uns das als Menschen ausmacht. Und wenn wir gemeinsam singen, gemein­sam gehen, dann wird die Welt nicht sofort besser, aber die Verbindung vertieft sich. Und worin sonst könnte sich die Liebe Gottes zu uns besser ausdrücken als in unserer Ge­meinschaft miteinander, darin, dass wir ein­ ander anschauen, mitfühlen, zusammenhal­ten, auch mit denen, die wir nicht sehen, weil sie in anderen Teilen der Welt unter­wegs sind?

In den menschlichen Grunderfahrungen und der Sehnsucht nach Leben und Liebe und darin verstanden zu werden, sind wir ver­ bunden.

CLAUDIA MAIER