„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“

Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe

1. Kor. 16,14

Wenn ihr den Müll runterbringt. Die Spül­maschine ausräumt. Mit dem Hund Gassi geht. Die Blumen gießt. Wenn ihr etwas kocht. Oder joggen geht. Wenn ihr eine E­ Mail schreibt oder Kaffee kocht. Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.

Pastorin Claudia Maier

In den letzten Wochen habe ich viel über die neue Jahreslosung gelesen und gehört. Und sehr häufig wird gesagt, dieser Vers, den der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth schrieb, sei eine Überforderung gewesen, damals und heute. Ich glaube das nicht. Ich glaube allerdings schon, dass wir heute im Jahr 2024 damit überfordert sind. Weil wir eine völlig andere Vorstellung von Liebe ha­ben als der Apostel Paulus.

Es gibt so viele unterschiedliche Formen von Liebe. Dazu gehören Freundschaft ebenso wie Zuneigung. Aber es ist die romantische Liebe, die schon immer und seit etwa 200 Jahren ganz besonders, seit der Romantik, die Menschheit fasziniert. Die romantische Liebe hat Menschen zu großartiger Kunst in­spiriert und heute gibt es kaum einen Film oder ein Buch oder ein Lied, in dem die ro­mantische Liebe keine Rolle spielt. Und weil das so ist, bestimmt sie wesentlich unser Ver­ständnis von Liebe.

Die Bibel kennt auch die romantische Liebe. Sie erzählt von Liebespaaren, leidenschaftli­chen Beziehungen, komplizierten Beziehun­gen. Großes Kino.

Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und mit all deiner Kraft und deinen Nächs­ten wie dich selbst. Auch das steht in der he­bräischen Bibel. Das Doppelgebot der Liebe. Wie nun wird aus der Liebe, einem Gefühl, ein Gebot?

Das hat mit dem Tun zu tun. Zu dem Gefühl der Liebe tritt die Erwartung, dass sich die Liebe auch in unserem Tun ausdrückt. Diese Liebe steht für einen respektvollen Umgang mit dem anderen und für das Tun der bibli­ schen Gebote. Diese Liebe wird im Neuen Testament mit dem Wort „agape“ ausge­drückt. Diese Liebe ist es, die Paulus meint, wenn er sagt: „Alles, was ihr tut, geschehe in der Liebe.“

Wie lässt sich die agape­-Liebe in einer Kir­chengemeinde leben?
Mir hat es geholfen, für diese Liebe, von der Paulus spricht, ein anderes Wort zu finden. Damit fällt es mir leichter, mit anderen über diese Idee zu sprechen, weil ich mich nicht erst ständig von einer anderen Vorstellung von Liebe abgrenzen muss. Für mich lautet das Wort caring im Deutschen Fürsorge. Das Wort caring enthält sicherlich nicht alle Aspekte von Agape. Aber es betont das Han­deln an anderen und mein Handeln in dieser Gesellschaft. Deshalb verwende ich es.

Wenn also der Apostel Paulus davon spricht, dass Gemeinden, die sich auf Jesus Christus berufen, Liebende sind – als solcher hat er sich selbst bezeichnet, als Liebenden, und in seinen Briefen spricht er die Gemeinde als Geliebte oder Liebende an, dann übersetze ich das mit dem Wort caring communities. Kirchengemeinden sind Orte, an denen wir uns umeinander und um andere kümmern und füreinander sorgen. Mit dem Ziel einer Gemeinschaft, die den Bewohner*innen die­ses Stadtteils ein besseres, glücklicheres Le­ben ermöglicht.

Und so komme ich ins Handeln und Gestal­ten. Mit den Fragen: Was können wir für diesen Stadtteil tun? Was brauchen die Men­schen? Wie können wir spirituelles, künstle­risches, politisches Handeln miteinander ver­ knüpfen? Wie können wir das gemeinschaftliche Handeln fördern? Wie können wir Menschen dazu einladen, das Göttliche in religiöser und spiritueller Vielfalt zu feiern?

Im Unterschied zu vielen anderen haben wir als Kirchengemeinde gute Voraussetzungen. Wir sind Teil einer Gemeinschaft, die wir nicht selber herstellen. Sie ist bereits gegrün­ det durch Jesus Christus. Deshalb können wir sehr großzügig Menschen einladen und das, was wir an Ressourcen haben, mit anderen teilen: Räume, Geld, Gemeinschaft, Rituale, Musik, geistliche Begleitung, das Kirchenjahr, Gebete, das Heilige Buch.

Ich glaube, wenn wir all das großzügig ver­schenken, werden wir in Liebe wachsen.

CLAUDIA MAIER